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Wenn es etwa um einen Firmenkauf ging, hiess der Auftrag: „Bitte betreuen Sie alle rechtlichen Themen rund um die Transaktion!“ Die mandatierte Kanzlei kümmerte sich dann um sämtliche juristischen Aspekte, von der eher komplexen Strukturierung der Transaktion über das im Einzelfall möglicherweise anspruchsvolle Konzept der Finanzierung bis zur Due Diligence oder zur Neugestaltung der Arbeitsverhältnisse für die Mitarbeitenden. Die letzten beiden Arbeitsschritte boten rechtlich zwar keine grossen Herausforderungen, waren aber gut für die Auslastung und den Lernprozess der jungen Kolleginnen und Kollegen in der Kanzlei. Brot-und-Butter-Geschäft eben!
Richard Susskind konnte schon 2008 zeigen, dass diese Art der Mandatserteilung vom Aussterben bedroht ist. Mandanten unterscheiden heute genau, welche Mandatsbestandteile hohe juristische Kompetenz erfordern und welche nicht. Das Mandat wird also „disaggregiert“, in seine Teile zerlegt. Anspruchsvolle Arbeit kann weiterhin die qualifizierte Kanzlei machen und dafür auch die aufgewendete Zeit zu ansprechenden Stundensätzen in Rechnung stellen. „Einfachere“ Arbeiten werden heute durch darauf spezialisierte Unternehmen erledigt, die beispielsweise mittels Einsatz spezieller Software grosse Datenmengen auf kritische Punkte hin analysieren oder individualisierte Standardverträge maschinell erstellen. Diese Unternehmen sind oft keine eigentlichen Kanzleien mehr, sondern sogenannte „Alternative Legal Service Providers“, die zu festen, nicht Zeit-abhängigen Tarifen arbeiten und die ursprünglich von Kanzleien erbrachte Arbeit günstiger und – wenn man ehrlich sein will – oft auch in besserer Qualität erledigen. Manchmal werden Teile einer grösseren Transaktion aber auch an kleinere oder mittlere Kanzleien vergeben, die dann die von einer qualifizierten Grosskanzlei konzipierte Projekte umsetzen.
Executive School Studiengang:
Management for the Legal Profession
Was das für qualifizierte Kanzleien bedeutet, ist klar: Das Brot-und-Butter-Geschäft, welches schöne Deckungsbeiträge generiert hat, fehlt. Ausserdem mangelt es an Arbeiten, an denen junge Associates geschult und für grössere Aufgaben vorbereitet werden können. Damit ist das Geschäftsmodell dieser Kanzleien in Gefahr, das ja darauf beruht, mit Erträgen aus der Arbeit von Associates den Kanzlei-Overhead, Investitionen in die Entwicklung der Kanzlei und die Gewinne der Partner zu finanzieren. Konsequent zu Ende gedacht, werden sogenannte high-end-Kanzleien daher in Zukunft wohl nicht mehr so stark wachsen, wie das in der Vergangenheit der Fall war. Nichtsdestotrotz: Einige wenige dieser Kanzleien haben sich geschickt neu positioniert, indem sie spezielle Einheiten geschaffen haben, die in der Lage sind, Standardarbeit hoch effizient maschinell oder in Zusammenarbeit mit darauf spezialisierten Wettbewerbern zu erledigen. Zu ersteren gehören etwa die beiden britischen Magic Circle Kanzleien Allen & Overy und Freshfields. In den USA, aber auch in Kontinentaleuropa sind erst ganz wenige Kanzleien auszumachen, die sich in diese Richtung bewegen.
Sich im Thema „Disaggregation“ strategisch richtig zu positionieren, ist aber für die Zukunft entscheidend. „Disaggregation“ muss nämlich als eigentlicher Wegbereiter für weitere Trends gesehen werden, wie etwa die wachsende Bedeutung moderner Technologien in unserem Geschäft oder der Druck auf die Honorare insbesondere mittelständischer oder kleiner, nicht spezialisierter Kanzleien. Auf diese beiden Phänomene werde ich in meinen nächsten beiden Blogs zu sprechen kommen.
Dieser Artikel ist Teil der Serie «Die wichtigsten Trends im Rechtsmarkt». Erfahren Sie mehr in den anderen Artikeln:
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