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Vorweg dies: Junge Leute von heute arbeiten hart, sehr hart. Wenn ich die Studierenden in meinen Kursen auf Masterstufe betrachte, in denen es um Law Firm Management, um Legal Risk oder um Corporate Legal and Compliance geht, sogar härter als wir in unserem Studium. Meine Professorenkolleginnen und -kollegen, die meisten Baby Boomers wie ich, bestätigen diese Beobachtung. Unsere jungen Leute können sich wirklich reinknien!
Und doch: Die Kolleginnen und Kollegen, die heute an die Türe zur Partnerschaft in Anwaltskanzleien klopfen, sind nicht immer einfach einzuschätzen. Vor kurzem erzählte mir der Managing Partner einer führenden deutschen Wirtschaftskanzlei eine interessante Geschichte. Einem jungen Mann, offenbar brilliant und mit allem ausgestattet, was einen guten Partner ausmacht, sollte die Partnerschaft drei Jahre vor dem von der Kanzlei ursprünglich vorgesehenen Zeitpunkt angetragen werden. Auf die Mitteilung, dass man ihn vorzeitig zum Partner machen wolle, erwiderte dieser, er habe eher daran gedacht, nur noch 80% arbeiten zu wollen, weil er Schlagzeuger in einer Rockband sei und die Zeit zum Üben brauche.
Sie können sich vorstellen, dass der Ausgang dieses Gespräch bei den Sozien der betreffenden Kanzlei für einiges Kopfzerbrechen gesorgt hat. Soziologen wie Peter Gross erklären die Eigenheiten der Generation Y anhand von drei Attributen: Millennials sind nach Gross im Vergleich zu uns Baby Boomers individualistischer, denken in Optionen und unterliegen einem Phänomen, das im Soziologen-Jargon De-Traditionalisierung genannt wird.
Individualistischer sind die jungen Leute insofern, als sie Selbstverwirklichung über alles setzen. Dazu gehört dann halt auch ein Portfolio an Aktivitäten, das mehr umfasst als „nur“ Befriedigung in einem anforderungsreichen Beruf. Ausserdem streben Millennials nach Sinn in ihrer Arbeit und ganz allgemein in der Lebensgestaltung. Wir alle wissen nun ja aber, dass Sinn nicht in allen Mandaten und über sämtliche Teile der Mandatsarbeit einfach vermittelbar ist.
Optionalität bedeutet, dass Angehörige der Generation Y eine anwaltliche Laufbahn nicht als Einbahnstrasse vom Referendariat zur Equity Partnerschaft sehen. Im Gegensatz zu noch vor ein paar Jahren betrachten Millennials eine In-house Karriere oder eine Position in der Kanzlei ohne Partnerschaftsstatut vielmehr mittlerweile häufig als gleichwertige Optionen. Auch hervorragend qualifizierte Kolleginnen und Kollegen erliegen deshalb nicht mehr immer quasi automatisch der Verlockung, Partner zu werden.
De-Traditionalisierung schliesslich hat zur Folge, dass Tradition nicht mehr selbstverständliche Referenzgrösse für Entscheidungen der jungen Leute ist. Viel wichtiger sind Werte und Statusreferenzen, die sich aus der Zugehörigkeit Einzelner zu sogenannten Peer Groups ergeben. Damit aber werden Entscheidungen von Millennials für gestandene Partner unberechenbar. Was „immer“ gegolten hat, wird heute vielleicht in Frage gestellt.
Executive School Studiengang:
Management for the Legal Profession
Man braucht nur eins und eins zusammenzuzählen: Der bis zu einem gewissen Grad uniforme Associate, der – entsprechendes Talent und einen guten Business Case vorausgesetzt – eine Berufung zum Partner einfach freudig akzeptiert, ist möglicherweise in naher Zukunft nicht mehr der Normalfall. Was bedeutet dies für das Geschäftsmodell vieler Kanzleien, die bisher nach dem Prinzip up-or-out hervorragend prosperiert haben? Wird diesem Geschäftsmodell der Boden entzogen, wenn ein Teil der Besten nicht mehr automatisch Partner werden will? Wie kann man Talenten entgegenkommen, denen ihre Work-Life-Balance wichtiger ist als die Karriere um den Preis eines Familienlebens im Remote Modus? Lässt sich der Widerspruch zwischen Diversität in den Lebensentwürfen von Partnern und dem strategischen Imperativ nach einem möglichst homogenen Set von Werten und Haltungen in der Sozietät auflösen? Wir dürfen gespannt sein!
Dieser Artikel ist Teil der Serie «Die wichtigsten Trends im Rechtsmarkt». Erfahren Sie mehr in den anderen Artikeln:
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