12. September 2022

Wie kundenorientiert sind B2B-Unternehmen?

Dass Customer Centricity einen nachhaltigen Impact auf den Unternehmenserfolg hat, haben bereits verschiedene Forschungsstudien bestätigt (u.a. Harvard, McKinsey, Universität St.Gallen, Walker). Umso überraschender ist, dass auch im Jahr 2022 nur wenige B2B-Unternehmen zu finden sind, die Customer Centricity konsequent und ganzheitlich umsetzen. Für gelebte Customer Centricity bedarf es vier wesentlicher Stellhebel:

  • Multi-dimensionale Analyse der Kund*innen-Bedürfnisse: Obwohl durch die technologischen Möglichkeiten die besten Voraussetzungen für eine ganzheitliche multi-dimensionale Kundenanalyse gegeben sind, zeigt die Projekterfahrung, dass viele Unternehmen im B2B hier noch deutliches Verbesserungspotential aufweisen. So besteht häufig Unklarheit darüber, was echte Kund*innen-Bedürfnisse – im Vergleich zu Produkt- und Serviceanforderungen – sind. Auch die besten CRM-Systeme können nicht ihr volles Potential entfalten, wenn Informationen zu Kund*innen-Bedürfnissen nicht systematisch erhoben und aufbereitet werden, um sie im nächsten Schritt ganzheitlich in der Organisation – sei es in F&E, Produktmanagement, Marketing oder Vertrieb – zu nutzen.
  • Value-Driven Customer Management: Gelebte Customer Centricity bedeutet, dass sowohl Werte für Kund*innen (Customer Value) als auch für das eigene Unternehmen (Customer Equity) geschaffen werden. Voraussetzung dafür ist wiederum die Kenntnis der unterschiedlichen Kund*innen-Bedürfnisse. Hieraus lassen sich bedürfnisbasierte Kund*innen-Segmente bilden und geeignete Bearbeitungsstrategien ableiten, so dass eine Win-Win-Situation für beide Seiten entsteht. Klassische Segmentierungsansätze (z.B. nach Branchen, Regionen, Anwendungsgebieten, A/B/C) allein reichen hierzu nicht aus. Vielmehr sind Kund*innen-Gruppen auf Basis gemeinsamer Bedürfnisse und Lieferant*innen-Anforderungen zu bilden und mit den klassischen Segmentierungsansätzen zu verbinden. Auf dieser Basis kann dann im nächsten Schritt zielgerichtet Mehrwert für das jeweilige Kund*innen-Segment geschaffen werden.
  • Value Creation und Value Selling: Viele Unternehmen kennen ihre Value Proposition bzw. den Kund*innen-Nutzen, den ihr Angebot stiftet, nicht. Entsprechend schaffen Sie es auch in der Marketingkommunikation und in Pitch-Situationen nicht, diesen klar und verständlich zu kommunizieren. Stattdessen werden Leistungsbestandteile (Features) und -funktionen in den Vordergrund gestellt. Diese sind häufig austauschbar und öffnen der Forderung nach Preisreduktionen Tür und Tor. Unternehmen sollten bereits bei der Produkt- und Serviceentwicklung den Nutzen für Kund*innen klar definieren und idealerweise auch quantifizieren. Mit diesen Informationen wird Value Selling erst möglich und die Marketingkommunikation zu einem zusätzlichen Differenzierungsfaktor im Markt.
  • Customer-Centric Transformation: Kund*innen-Orientierung ist kein reines Vertriebs- und Marketingthema, sondern betrifft sämtliche Unternehmensfunktionen. Entsprechend bedarf es eines Kulturwandels in der gesamten Belegschaft. Darüber hinaus gilt es, das Operating Model (Strukturen, Prozesse, IT-Systeme, Fähigkeiten der Belegschaft) so zu verändern, dass Kund*innen-Orientierung systematisch und nachhaltig umgesetzt werden kann. Passiert dies nicht, bleiben sämtliche Massnahmen hin zu mehr Customer Centricity ein Stückwerk und verpuffen.

Die Autorin dieses Artikels, Dr. Philine Betz-Werner, ist Referentin im entsprechenden Leadership Development Program.

Über die Autorin / den Autor
Dr. Philine Betz-Werner Dr. Philine Betz-Werner ist seit 2017 Lehrbeauftragte für Marketing und Referentin in der Executive Education an der Universität St.Gallen. Sie hat die Performanice GmbH gegründet und ist deren Geschäftsführerin. Gleichzeitig engagiert sie sich als Trainerin, Beraterin und Executive Coach für Sales, Marketing und Leadership (inkl. pferdegestützte Seminare).